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Kultur und Medien/Ausschuss – 12.10.2022 (hib 546/2022)

Berlin: (hib/AW) Vertreter verschiedener Kultureinrichtungen aus Deutschland und Kamerun haben sich im Rahmen eines öffentlichen Fachgesprächs im Kulturausschuss am Mittwoch für eine Zusammenarbeit „auf Augenhöhe“ zwischen Europa und den Ländern des globalen Südens bei der Dekolonisierung von Museen und anderen Kultureinrichtungen ausgesprochen. Die Restitution von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten an die Herkunftsgesellschaften bilde in diesem Zusammenhang zwar einen wichtigen Aspekt, ebenso müssten aber neue Formen der Zusammenarbeit gefunden werden. Unterstützung für diese Sichtweise äußerten Abgeordnete aller Fraktionen. Lediglich aus der AfD hieß es, das Konzept der Dekolonisierung sei „holzschnittartig“ und Restitutionen dürften nur in Einzelfällen vorgenommen werden.

Ibou Diop von der Stiftung Stadtmuseum Berlin wies darauf hin, dass die deutsche Kolonialgeschichte von vielen Deutschen noch immer als „nicht relevant“ eingestuft werde. Die Kontinuitäten zwischen dem Kolonialismus und rassistischen Einstellungsmustern in der heutigen Zeit würden oftmals nicht erkannt und benannt. Diop forderte eine „neue Ethik“ in den Beziehungen zwischen Europa und den ehemals kolonisierten Ländern des globalen Südens. „Dekolonisierung ist keine Debatte, sondern eine Haltung, der Taten folgen müssen“, sagte Diop. Im Westen herrsche noch immer die Einstellung vor, man müssen „den anderen erklären, wie sie sich zu benehmen haben“, führte er mit Blick auf das Argument aus, in den Ländern Afrikas oder Asiens bestünde nicht die museale Infrastruktur für einen angemessenen Umgang mit restituierten Kulturgütern.

In diesem Sinne argumentierte auch der Direktor des Städtischen Museums Braunschweig, Peter Joch. Die selbsternannten „Kulturschützer“, die sich gegen die Restitution aussprechen, erinnerten ihn an die deutschen „Schutztruppen“ des Kaiserreichs in den Kolonien. Er schloss sich der Forderung nach einer neuen Ethik im Umgang mit dem kolonialen Erbe an. Für die deutschen Museen biete dies eine Chance zur Selbstreflexion über ihre eigene Rolle in der Geschichte. Es dürfe aber nicht bei einer kritischen Sichtung der Sammlungen bleiben, sondern es müsse im Dialog geprüft werden, welche Bedeutung die Sammlungsstücke in den Herkunftsgesellschaften haben. Dies könne praktisch in der Museumsarbeit in Deutschland geschehen, indem das Kuratieren von Sammlungsstücken an Vertreter der Herkunftsgesellschaften übertragen werde.

Der Germanist und Kulturwissenschaftler Albert Gouaffo von der Universität Dschang in Kamerun erinnerte daran, dass die Gründung der ethnologischen Sammlungen und Museen in Europa eine direkte Folge des Kolonialismus gewesen sei. Es müsse Transparenz über deren Sammlungen hergestellt werden, die von Offizieren, Kolonialbeamten, Händlern und Missionaren durch Raub, Kauf oder Tausch beliefert worden seien. Vor allem aber bräuchten diese Museen, in denen früher lediglich die europäische Sicht auf die unterworfenen Kolonialvölker präsentiert worden sei, eine neue Identität. Sie müssten zu Orten der Begegnung zwischen den Kulturen und zu Orten der Freude umgewandelt werden.

Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy von der Technischen Universität Berlin äußerte Zweifel, ob die Umwandlung von Museen in Orte der Freude gelingen kann. So würden im Kamerun-Saal im Humboldt Forum in Berlin die grausamen Verbrechen der Kolonialzeit so drastisch gezeigt, dass die Exponate in den Hintergrund gedrängt würden. Sie frage sich deshalb, ob solche ethnologischen Sammlungen überhaupt kompatibel mit den historischen Wahrheiten seien. Savoy erinnerte daran, dass es sehr lange gedauert habe, das Thema Dekolonisierung der Museen gegen viele Widerstände in Europa auf die Agenda zu setzen. Dabei bedeute Dekolonisierung eben nicht Zerstörung der Museen. Dekolonisierung bedeute Beseitigung aller rassistisch begründeten Diskriminierungen. Dazu gehöre aber auch die Frage, warum das Reinigungspersonal in Museen oftmals „so bunt“, die Besucher aber so „unbunt“ seien.

Auch Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), warb für einen verstärkten Dialog zwischen deutschen Museen und den Ländern des globalen Südens. Deren Wissen müsse genutzt werden, um neue Geschichten über die Sammlungen zu erzählen. Zudem plädierte er für mehr Wanderausstellungen. Wenn ethnologische Museen noch eine Zukunft haben sollten, dann liege sie in der Zusammenarbeit mit den Herkunftsgesellschaften. Als Beispiel nannte er die Rückgabe von 23 Sammlungsstücken an Namibia obwohl kein Verdacht eines unrechtmäßigen Erwerbes vorgelegen habe. Die Sammlungsstücke seien von der namibischen Seite ausgesucht worden, weil es in Namibia keine vergleichbaren Kulturgüter mehr gebe. Auf diesem Weg sei man aber auch zu ganz neuen Erkenntnissen über die Sammlungsstücke gekommen.

Link :https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-915242

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